Schauplatz des Romans
Wie ihr vielleicht schon wisst, spielt mein neuer historischer Roman 1769 in London und Montreal. Aber wie muss man sich die politische Situation der Kolonialstadt in der Frühen Neuzeit vorstellen?
Das Gebiet der Provinz Québec wurde ursprünglich von den Algonquin und Irokesen besiedelt. Ab dem 16. Jahrhundert entsandten die Franzosen Erkundungsreisen in das Gebiet am Sankt-Lorenz-Strom und errichteten einen Pelzhandelsposten in ihrem „Neufrankreich“. 1663 unterstellte König Louis XIV. Neufrankreich direkt der französischen Krone. In der Zeit zwischen 1640 und 1701 kam es immer wieder zu Konflikten mit den First Nations, insbesondere mit den Irokesen. Diese Episode wird auch als Zeitalter der „Biberkriege“ betitelt.
Ab dem 18. Jahrhundert konnte Großbritannien die Machtverhältnisse in Nordamerika zu seinen Gunsten verschieben und drang immer weiter in Richtung Neufrankreichs vor.
Die endgültige Wende für die Provinz Québec brachte der Siebenjährige Krieg. Von 1756 bis 1763 kämpften alle europäischen Großmächte um Machtbalance und territoriale Gewinne in Europa, um Kolonien und Einfluss in Nordamerika, Indien und Afrika, um die Herrschaft über die transatlantischen Seewege sowie um Handelsvorteile.
Am 13. September 1759 wurde Québec von den Briten erobert – Montreal war fast ein Jahr lang isoliert und ergab sich am 8. September 1760. Der Frieden von Paris (1763) besiegelte das Ende Neufrankreichs und den Beginn der britischen Herrschaft.
Der historische Pelzhandel als Rahmenthema
Obwohl ich Echtpelze selbst eher grausig finde, hat mich das Thema im historischen Kontext fasziniert, als ich im Rahmen meines Geschichtsstudiums darauf gestoßen bin. Die Netflix-Serie „Frontier“ und der Film „The Revenant“ waren meinem Interesse ebenfalls zuträglich 😉
In einer Vorlesung zur Konsumrevolution lernte ich u. a., dass der Mensch nicht erst ab der Moderne und dem Zeitalter der Industrialisierung starken Einfluss auf die Umwelt nahm, sondern bereits ab der Frühen Neuzeit, als erstmals größere Teile der Bevölkerung (insbesondere in Europa) materiellen Besitz erwerben konnten und Luxuswaren vermehrt zu „Notwendigkeiten“ wurden.
Einer dieser für die Wohlhabenden „lebensnotwendigen Güter“ stellte im 17. und 18. Jahrhundert der Kastorhut aus Biberpelz dar – mit weitreichenden Folgen. Vor der europäischen Kolonialisierung belief sich der nordamerikanische Biberbestand auf etwa 60 bis 400 Millionen, während die Population um 1900 nur noch bei ca. 100.000 Tieren lag.
Die Rolle der Hudson’s Bay Company
Der Name des ehemaligen Pelzhandel-Unternehmens geht auf die Hudson Bucht zurück, wo die meisten Biber gefangen wurden. Das Gebiet ist wiederum nach dem Seefahrer Henry Hudson benannt, der die Bucht 1610 für die Europäer „entdeckte“, als er sich auf die Suche nach der Nordwestpassage begab.
In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts etablierten Holländer und Franzosen Handelsstützpunkte nahe der heutigen Städte New York und Montreal. 1660 erlangte man Kenntnis über eine Route zu den Handelsgebieten nördlich und westlich des Lake Superior, die von Norden aus durch die Hudson Bay erreichbar waren. Nachdem die Engländer 1669 eine erfolgreiche Expedition entsandt hatten, wurde 1670 die Hudson’s Bay Company mit einer königlichen Urkunde von Charles II gegründet.
Diese Urkunde gewährte dem Unternehmen das Monopol auf den Handel mit den First Nations auf dem Gebiet rund um die Hudson Bay. Das Territorium wurde bekannt als „Rupertsland“ (nach dem ersten Governor der Gesellschaft, Prinz Ruprecht von der Pfalz) und umfasste 3,9 Millionen km² – mehr als ein Drittel des heutigen Kanadas!
Das Fallenstellen wurde vorwiegend von den einheimischen Stämmen, insbesondere den Assiniboine und Cree, übernommen, welche im Frühling und Sommer die britischen Faktoreien rund um die Hudson Bay aufsuchten und dort ihre Pelze verkauften. Von den Faktoreien aus wurden die Felle direkt nach England verschifft. Das Unternehmen war darauf bedacht, seine Vormachtstellung zu erhalten. Wer sich gegen die HBC auflehnte oder gar eine Konkurrenz aufbaute, wurde gnadenlos verfolgt – das muss auch meine Protagonistin Marigold schnell erkennen …